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Allgemein Reden

Du rufst die Polizei.

Du hast dich entschieden, die Polizei zu rufen. Du wählst den Notruf, die 110. Das ist die erste Nummer, die dir einfällt. Du siehst das Paar streiten und sich anschreien. Während du wartest, dass jemand abhebt, fragst du dich, ob es richtig war, die Polizei zu rufen. Was ist, wenn es doch nur ein harmloser Streit ist? Jetzt hörst du eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Legst du auf oder sagst du etwas?*

In einer Gefahrensituation ist es immer sinnvoll, die 110 zu wählen, sagt Sven Müller, Sprecher des Polizeipräsidiums München. „Wenn ich Zeuge einer Straftat werde oder sehe, dass ein Mensch in Not geraten ist, weil er körperlich bedroht oder angegriffen wird, sollte ich immer sofort den Notruf wählen.“

Sven Müller

„Als Zeuge einer Straftat sollte man immer den Notruf wählen.“

sagt Sven Müller, Sprecher des Polizeipräsidiums München.

Wer den Notruf wählt, hilft anderen Menschen. Aber die Polizei zu rufen ist kein selbstloser Akt, sondern gesetzlich vorgeschrieben. Wenn man sie nicht ruft, kann man wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden. Wer nicht selbst anrufen will, kann das auch über Dritte tun, zum Beispiel über eine Beratungsstelle wie der „Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen“.

Sven Müller, Polizeisprecher in München, rät bei Auffälligkeiten immer dazu, die Polizei zu rufen.

Beobachter*innen müssen der Polizei am anderen Ende der Leitung den Vorfall schildern, wie sie ihn gesehen haben. Damit die Beamt*innen möglichst gut auf den Einsatz vorbereitet sind, ist es wichtig, den eigenen Namen und die genaue Adresse des Tatorts zu nennen, den Vorfall genau zu beschreiben und zu sagen, ob sich jemand verletzt hat. In dem Fall alarmiert die Polizei automatisch den Rettungsdienst. Mehr als seinen Namen muss man zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht angeben.

Eva Wiedemann
Eva Wiedemann

„Die Polizei zu rufen, ist auf alle Fälle der richtige Weg.“

sagt Eva Wiedemann, Schauspielerin und jahrelang betroffen von häuslicher Gewalt

Man sollte keine Hemmungen haben, die Polizei zu rufen, sagt Polizeisprecher Müller. Auch, wenn sich der Vorfall am Ende als harmlos herausstellt. „Wir sind froh, wenn Leute anrufen, weil sie glauben, dass etwas passiert.“ Die Sensibilität für Gewalt im häuslichen Umfeld sei in Deutschland zwar gestiegen, doch die Polizei rechnet mit einer hohen Dunkelziffer. 

Schauspielerin Eva Wiedemann war selbst jahrelang betroffen von häuslicher Gewalt; ihr ehemaliger Lebensgefährte hat sie geschlagen, und körperlich wie emotional kontrolliert. Heute sagt sie, dass sie sich damals gewünscht hat, jemand hätte die Polizei gerufen. „Das ist auf jeden Fall der richtige Weg.“ Ob er zielführend sei, wisse zwar niemand. Aber Hauptsache, man handelt.

Du hast den Notruf gewählt und der Polizei Bescheid gesagt. Der Beamte am Telefon hat dir zugesichert, dass seine Kolleg*innen vorbeikommen werden. Du legst auf. Das Paar streitet sich immer noch. Auf einmal packt der Mann die Frau am Arm. Du weißt nicht, ob du dazwischengehen sollst.* 

Man könne nicht pauschal zu sagen, ob es richtig ist, bei einem Konflikt einzugreifen, sagt Müller. Die oberste Priorität habe immer die eigene Sicherheit. In unserem Beispiel könnte die beobachtende Person rufen, wenn sie außen am Fenster steht. Greift der Beobachter oder die Beobachterin ein, sei es besser, die Betroffene anzusprechen als den Täter (oder die Täter*in – nicht nur Männer sind zu Hause gewalttätig). Dieser könnte aggressiv reagieren.

Wenn man eingreift, sollte man die*den Betroffene*n ansprechen, nicht den Täter, sagt Polizeisprecher Sven Müller.

Wenn die Polizei gekommen ist, wird sie versuchen, die Situation zu entschärfen. Bei einer Straftat nehmen die Beamt*innen Verdächtige fest, vernehmen Zeug*innen, und alarmieren, wenn nötig, die Kolleg*innen der Kriminalpolizei. Das komme darauf an, was passiert ist. Als Beobachter oder Beobachterin sollte man am Ort bleiben um als Zeuge oder Zeugin aussagen zu können und damit zur Aufklärung beizutragen.


Was wäre passiert, wenn du dich anders entschieden hättest?

Hilfe bei häuslicher Gewalt

Notruf: 110
Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“:
08000 116 016
Telefonseelsorge:
0800 111 0111 oder 0800 111 0222
Betroffenentelefon des Weißen Rings:
116 006
Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen:
030 611 03 00
Frauenhaus der Frauenhilfe München:
089 354 830

* Die Szenen sind fiktiv, basieren aber auf den Schilderungen unserer Expert*innen.